Jonas Weichsel
Color Plates
Nov 2 – Dec 21, 2013
Die Einladungskarte zu “Color Plates” zeigt die abfotografierte Inhaltsangabe eines Katalogklassikers. Es handelt sich dabei um John Elderfield‘s: „The Cut-Outs of Henry Matisse“. Neben „List of Color Plates“ und anderen Überschriften, ist unscharf auch die Kapitelüberschrift „In Matisse‘s Studios“ zu erkennen.
Weichsel gibt mit dieser Hommage einen Einstieg in seine spezifische Form der non-figurativen Malerei. In der Ausstellung zeigt er sieben neue Gemälde, in denen Farben, Formen und Materialien jeweils auf sehr verschiedene Weise kombiniert werden.
In Verbindung mit feinen, akkurat geführten Linien, in denen durch Farbe und malerischer Schicht ein irritierendes Spiel mit Raumeindrücken entsteht, wird die Leinwand kaum mehr als solche wahrgenommen. Wie Raum durch Farbe und Verteilung erzeugt werden kann, ist nicht nur in deren Kombination auf der Leinwand ein Thema, sondern ebenso in der Proportion und der Form des Bildträgers selbst. Das Bild „L“ besteht aus zwei miteinander verbundenen Segmenten, einem komplex angelegten Siebdruck im Hochformat, sowie einem monochromen Unterbau, der horizontal zum Siebdruck angelegt ist und seitlich herausragt.
Darüber hinaus nehmen die Gemälde Bezug auf spezielle Gegebenheiten des Ausstellungsraums: „Nizza“ beispielsweise hängt um 45 Grad gedreht an der Galeriewand, womit der Künstler auf die Bewegung des leicht ansteigenden Galeriebodens eingeht. „Pin“ wiederum ist dicht beim Türsturz platziert, und die Hängung der Bilder mit dem Titel „TC“ soll mit den drei diagonal in den Raum ragenden Pfeilern korrespondieren.
Jonas Weichsel bezieht sich in seinen Gemälden, wenn auch nicht explizit, auf ein breites Spektrum historischer Positionen, insbesondere von Bridget Riley und Blinky Palermo. Dabei entstehen Weichsel‘s Post-Abstraktionen in einem performativen Prozess. Nicht nur das einzelne Bild ist entscheidend, sondern seine Bilder bauen aufeinander auf, indem Erkenntnisse oder Aspekte aus einem Bild in einem nächsten variiert und weiter befragt werden.
Die potentiellen Referenzen weisen ihn als Maler aus, der, wie viele Künstler seiner Generation, die Geschichte der abstrakten Kunst, auch über das Internet wahrnimmt. Von dort werden, wie es David Joselit in „After Art“ beschrieben hat, Bilder und Inhalte aufgegriffen, um sie neu zu formatieren.
Bei einer genauen Betrachtung von Jonas Weichsel‘s Bildern fällt auf, dass sich partiell auch deren Ästhetik an digitalen Oberflächen orientiert: Es sind homogene Flächen, auf denen Pinselspuren kaum noch erkennbar sind - der Künstler führt seinen Pinsel wie einen Druckkopf an einer Schiene über die Bildoberfläche, welche an Ergebnisse aus digitalen Bildprogrammen oder Scannern erinnern.
Matisse schreibt in seinen „Notizen eines Malers“: „Ich stütze mich bei der Wahl der Farben auf keinerlei wissenschaftliche Theorie: Sie beruht auf der Beobachtung, auf dem Gefühl, auf der Erfahrung meiner Sinne.“ Wie relevant die intensive Auseinandersetzung mit dem Farbmaterial ist, zeigt ein Besuch in Weichsel‘s Atelier: an einer Wand hängt eine „color chart“, kleinformatige rechteckige Leinwände in einer regelmäßigen Anordnung, auf denen die Farben – hochwertiges Öl und Acryl - und ihr Verhalten studiert werden. Viele Bilder in der Ausstellung bedurften eines oft wochenlangen Experimentierens. Diese intensive Auseinandersetzung mit dem Material ist es, die die Oberflächen der digitalen visuellen Kultur gegenüber anderen, haptischen und räumlichen Eindrücken auslotet.
Antje Krause-Wahl