Mike Bouchet
Hard On
Sep 1 – Oct 15, 2010

Wie der Titel schon sagt, handelt die Ausstellung von Idealzuständen, wie sie in der Werbung dauerhafter als in der Wirklichkeit auftreten. Dabei ist der der unterleibsgesteuerten Testosteronschleuder nur einer der Mythen, denen Mike Bouchet in unterschiedlichen Medien nachspürt. Seit jeher hebt er in den visuellen Ikonen der Populärkultur die darin beschlossene Ideologie hervor. Sämtliche Topoi vergangener Werkreihen stehen für kollektive Versprechen. So suggeriert kalorienfreie Cola Genuss ohne Reue, und die in Billiglohnländern hergestellte Jeans die weltweite Verfügbarkeit preiswerter Textilien. 

Sämtliche Embleme des Strebens nach und des Anspruchs auf Glück lassen sich unter das gesellschaftsstabilisierende Konsumgebot „Du sollst Wollen“ subsumieren. Das Hauptaugenmerk unter all diesen Versprechen der Vergangenheit und Gegenwart liegt auf dem eingangs erwähnten Männlichkeits-Ideal, das Bouchet in Zeugnissen der Alltagsästhetik zutage fördert, wo es die Basis jeglicher Verkaufsstrategien und somit der Wirtschaftsordnung bildet. 

Während die Kunstgeschichte schon immer von erotischen Anspielungen lebte, hat die Bildsprache der Werbung drastische Darstellungen von erstaunlicher Aggressivität hervor gebracht, deren Lesbarkeit die alles sexualisierende Wahrnehmung eines Sechzehnjährigen voraussetzt: So erschließt sich beispielsweise die Abbildung der Rückseite von Möbeln nur über die Assoziation „von hinten“, und auch das Satzfragment „open happiness“ kann als sexuelle Einladung oder als Verweis auf die Vorteile einer offenen Beziehung verstanden werden. Während das Dekodieren von schmaler Taschenlampe neben einer offensichtlich zu breiten Batterie von Betrachtenden, die sich nicht gerade im hormonellen Ausnahmezustand befinden, beträchtliche Abstraktionsleistungen verlangt, um darin eine Reklame für Kondome in Übergrößen zu erkennen, beweist die Existenz solcher Zeichensysteme, dass die Neigung, allem Sichtbaren sexuelle Subtexte zu unterlegen, ausreichend verbreitet ist, um ihnen Effizienz zu garantieren. Denn angesichts der in Werbung investierten Summen, die sich schließlich amortisieren müssen, liefern die dort verwandten Codes ein authentisches Bild der kollektiven Geistesverfassung. Selbst bei der Abbildung der verletzten Lippen eines weiblichen Mundes kann ausgegangen werden, dass genug AdressatInnen zu einer Assoziation mit besagten XXL-Kondomen fähig sind, um einer solchen Kampagne finanziellen Erfolg zu garantieren. 

Lebens- und Genussmittel, Freizeit- und Gebrauchsartikel – sie alle verkaufen sich mittels erotischer Signale, deren Codes sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte nicht wesentlich geändert haben. Dabei operieren etliche der Exponate auf mehreren Ebenen, wie etwa Golfschläger, die als Phallus- und Statussymbol fungieren. Während die Erhöhung von Salamis auf musealen Sockeln keiner weiteren Erläuterung bedarf, lassen die in einer Autopresse gestalteten Luxusmöbel der Firma USM Haller nur dank massiver Transferleistung noch ihre einst prestigeträchtige Funktion erahnen. Allein die primären Geschlechtsmerkmalen gewidmeten Bildbände, deren imposantes Format die Bedeutung ihres Inhalts zu unterstreichen sucht, erinnern an die Zeit, als die durch Schrottverwertung erzeugten Stahlrohrplastiken noch Bücherregal und Coffeetable waren. 

Bouchets Reihung von der Werbung entnommenen Bildern verdeutlicht die bewährte Strategie, das beworbene Produkt als Träger erotischer Fantasien zu inszenieren und so einen reflexhaften Kaufimpuls auszulösen, der weniger dem Artikel als der davon in Aussicht gestellten sexuellen Erfüllung gilt. Dabei lässt er Vorgefundenes durch die Art seiner Präsentation für sich selbst sprechen und dabei mehr sagen, als es ursprünglich soll. Das gestalterische Hervorheben der Kernaussage bei gleichzeitigem Verzicht auf ablenkendes Hintergrundrauschen verleiht den großformatigen Gemälden eine hyper-realistische Schärfe. Durch das so bewirkte Offenlegen erotischer Dimensionen verdeutlichen die Gemälde die einschlägige Perspektive des paarungsfreudigen Blicks, der den harmlosesten Objekten pornografische Reize abgewinnen kann. So sind Bouchets Gemälde Ansichten neutraler Objekte aus der alles erotisierenden Perspektive des chronisch Erotisierten, an der von wirtschaftlicher Seite massives Interesse besteht.